In meiner Heimatstadt gibt es eine Discothek, die in den frühen Neunzigern gegründet wurde und seither praktisch die einzige Gelegenheit in der Umgebung darstellt, als Jugendlicher so etwas wie Discokultur zu erleben. Das Jugendleben in der Gegend hat sie entsprechend geprägt.
Ich habe in meinem Leben nicht besonders viele Discos – oder, wie man in Großstädten sagt, „Clubs“ – besucht, aber man muss kein Experte sein, um zu erkennen, dass es sich bei diesem Lokal eher um eine Dorfdisco handelt. Sie steht nicht wörtlich in einem Dorf, aber die anderen Merkmale sind alle da.
Ich hatte nie große Ambitionen, meine Zeit dort zu verbringen, war aber auf Bestreben eines alten Freundes hin in der Nacht zwischen den Weihnachtsfeiertagen 2009 und am darauffolgenden 20. März dort und habe dazu folgende – teilweise ursprünglich per Twitter veröffentlichte – Notizen gemacht:
- Dorfdisco zwischen den Weihnachtsfeiertagen
- Habe die Nacht zwischen den Weihnachtsfeiertagen in der Dorfdisco verbracht. Soziologisch erhellend, sonst eher albern.
Habe noch Fiepen im Ohr und rote Augen. - Interessant, wie freizügig die Jugendlichen mit ihrer Intimsphäre umgehen, die tags darauf wieder völlig verkrampft umherstaksen
- Im späteren Verlauf des Abends meinte ich, eine alte Bekannte wiederzuerkennen, umarmte sie und rief ihr ins Ohr, wie schön es ist, sie zu sehen.
Später wurde mir erzählt, die betreffende Bekannte lag 80 Kilometer entfernt im Krankenhaus.
Naja, was solls. - Mein Selfquote des Abends: „Hier läuft gerade Kommunikation auf mehreren Ebenen ab, und ein paar davon sind kaputt…“
- Achja: Sollte ich jemals persönliches Drama in so einem Zappelschuppen austragen, möge man mich bitte stehenden Fußes erschießen.
- Überhaupt ging mir bei dem Verhalten, das ich mitangesehen habe, diese eine Zeile von Led Zeppelin nicht aus dem Kopf: „And it makes you wonder…“
- Dorfdisco am Frühlingsanfang
- 22:32 – Begebe mich jetzt für den Rest der Nacht in die Dorfdisco. Mal sehen…
- 00:58 – Tanzfläche nur dünn besucht. Sehr spezielle Klientel. Freund spricht von „Embryoschubsen“.
- 01:04 – Jetzt eine Technoversion von Johnny Cashs „I walk the line“. Der DJ sieht nicht sehr zufrieden mit dem Abend aus.
- 01:34 – Zwei Leute aus meiner ehemaligen Klasse sind hier. Einvernehmliches Ignorieren.
Indessen werde ich über ein paar Tische von einer 19-jährigen angestarrt. Vielleicht sollte ich besser hier weg… - 01:46 – Wieder Tanzfläche. Die plumpe Musik, die Besucher, das Gezappel… Diese Dorfdisco ist ihre eigene Parodie.
- 02:02 – Die Musik wird immer schlimmer. Im Ernst: „Putzen, putzen“?
Wir einigen uns, zu gehen. Die Türsteher sehen arg gelangweilt aus.
Ich vermutlich auch.
„EMBRYOSCHUBSEN“ ftw… du hast aber vergessen, dass die Disco immernoch zum Abschießen reicht. Dort wird man wenigstens nicht 2 Uhr vor die Tür gesetzt :)
By: Matze on 22.06.2010
at 09:17
Das stimmt: Wahrscheinlich ist das das einzige Haus in dem gesamten Kaff, in dem man sich Freitag auch um vier noch die Rübe zuhämmern kann.
By: Manuel on 22.06.2010
at 21:49
[…] und wird auch nicht mehr zum Tanzen verwendet, sondern zum Abzappeln; es stellt sich heraus: Wer die Dorfdisco durchschaut, versteht die letzten Stunden des Abiballs […]
By: Abiball 2010 « Zivilschein on 17.07.2010
at 14:55