Verfasst von: Manuel | 13.04.2009

Wikileaks.de: Neue Fakten

Wie ich vorgestern schon schrieb, ist derzeit wikileaks.de nicht erreichbar, ein Aufruf der Adresse führt auf die Transit-Informationsseite der DENIC mit folgendem Text:

TRANSIT-Informationsseite

Die aufgerufene Domain ist derzeit nicht erreichbar.

Der Domaininhaber bzw. der administrative Ansprechpartner sollte inzwischen über die Probleme informiert sein. Wir rechnen daher in Kürze mit ihrer Behebung.

Sollten Sie als Domaininhaber bzw. als administrativer Ansprechpartner jedoch noch nicht über die Schwierigkeiten unterrichtet sein, so liegt das unter Umständen daran, dass wir Sie nicht erreichen konnten. In diesem Fall wenden Sie sich bitte an:

DENIC eG
Direct Services
Kaiserstraße 75-77
60329 Frankfurt am Main

Telefon: +49 69 27 235 270
Fax: +49 69 27 235 238
E-Mail: info@denic.de

Im Verlauf des heutigen Tages sind nun neue Fakten aufgetaucht, die den Sachverhalt in ein etwas anderes Licht rücken: Der bisherige Provider von wikileaks.de, Beasts Associated, hat zunächst eine Stellungnahme zum Thema (pdf) veröffentlicht, in der es heißt:

Seit Donnerstag, dem 09. April 2009, ist die Domain wikileaks.de nicht mehr im Internet erreichbar, da diese in die Verwaltung der deutschen Registrierungsstelle DENIC eG übergeben wurde.

[…]

Die Domain wikileaks.de wurde durch den Domaininhaber Theodor Reppe bei uns registriert. In diesem Zusammenhang wurden auch unsere Nameserver seitens Herrn Reppe verwendet.

Auf Grund von nicht vertragsgemäßen Verhalten des Herrn Reppe
wurde bereits Anfang Dezember 2008 der Vertrag fristgerecht und mit entsprechendem Vorlauf zum 30. März 2009 gekündigt.
Der Kündigung wurde nicht widersprochen und es ist keine Klage gegen die Kündigung anhängig.
In dem Kündigungsschreiben wurde ebenfalls darauf hingewiesen, was mit Domains, welche bis zum Kündigungsdatum nicht umgezogen wurden, passieren würde.

„Domains, welche bis zum 31.03.2009 nicht umgezogen sind,
werden von uns an die Vergabestelle zurückgegeben oder
entsprechend gekündigt.“

Die DENIC eG sieht in solch einem Fall den Transit vor.

Die Domain wurde am Donnerstag den 09. April 2009 in den Abendstunden durch uns in die Verwaltung der DENIC eG übergeben (Transit). Zeitgleich wurden unsere Nameserver für diese Domain abgestellt.

Die Übergabe in den Transit war weder eine Folge der Hausdurchsuchung vom 24. März 2009 beim Domaininhaber der Domain, noch eine Anordnung einer deutschen Behörde oder eine willkürliche Zensur durch uns. Vielmehr ist die Nichterreichbarkeit das Versäumnis des Domaininhabers sich rechtzeitig einen neuen Provider zu suchen. Auch der genannte zeitliche Ablauf zeigt deutlich, daß es keinen Zusammenhang zwischen der Kündigung des Vertrages, die Rückgabe der Domain in den Transit und den Ereignissen der vergangenen Wochen gibt.
Eine Anfrage seitens des Domaininhabers nach dem Grund des Transit der Domain liegt uns bis heute nicht vor. Ebenfalls die Unkenntnis des Domaininhabers ist für uns auf Grund des Hinweises in der Kündigung nicht nachvollziehbar.

Udo Vetter, Anwalt des genannten Domaininhabers Theodor Reppe, gibt an, nichts über die Richtigkeit der Angaben sagen zu können.

Zudem hat sich die DENIC gegenüber heise.de gegen den Vorwurf der Sperre gewehrt. Dort heißt es:

Nachdem die Registrierungsstelle für Rückfragen zunächst nicht zu erreichen war, teilte Denic-CEO Sabine Dolderer heise online jetzt mit, dass die „angebliche Sperrung seitens der Denic in Wirklichkeit gar nicht stattgefunden“ habe. Vielmehr sei am 9.4. durch den Provider mitgeteilt worden, „dass die Domain nicht mehr durch ihn verwaltet wird“. In solchen Fällen könne der Domain-Inhaber „die Domain zu einem anderen Provider umziehen (Providerwechsel beauftragen), die Domain bei DENICdirect belassen oder aber auch die Domain löschen“.

Warum das Kundenverhältnis zwischen dem Provider und dem Domain-Inhaber beendet wurde, die Domain also „in Transit“ gegangen sei, „entzieht sich dabei unserer Kenntnis“, schreibt Dolderer in einer E-Mail. Gründe könnten zum Beispiel sein, „dass der Vertrag mit dem Kunden gekündigt ist, dass die Bezahlung aussteht, …“. Der Denic habe bis zum 12. April „keinerlei Providerwechselauftrag oder eine andere Information des Domaininhabers“ vorgelegen, wie die Domain zukünftig verwaltet werden soll. Insoweit könne die Denic „im Moment nicht (sinnvoll) tätig werden“.

„Aber seinen Provider oder die DENIC zu kontaktieren ist sicher weniger spektakulär, als eine Pressemitteilung mit ungeprüften Anschuldigungen rauszugeben“, wirft Dolderer den Wikileaks-Betreibern vor. Der Inhaber der Domain wikileaks.de, Theodor Reppe, erklärte unterdessen gegenüber ORF.at, er wisse gar nichts zu dem Thema und sei bisher auch nicht informiert worden.

Wir halten fest: wikileaks.org macht der DENIC schwere Vorwürfe und beschwört die Pressefreiheit, die DENIC beteuert ganz normales, vertragsgemäßes Handeln und weist die Verantwortung auf Reppe und seinen Provider – und dieser lädt alle Verantwortung auf Reppe.
Wie auch immer die tatsächlichen Abläufe aussahen: Herr Reppe und auch wikileaks.org haben sich hier zumindest sehr ungeschickt verhalten.


Antworten

  1. […] bitter wäre es wohl für all die Verschwörungstheoretiker, wenn der momentane Zustand der beliebten wikileaks-DE-Domain nach der Vorgeschichte tatsächlich einzig auf eine fristgerechte […]

  2. […] Tisch sein. Dieses Mal sieht es ganz so aus, als ob sich die Leute von wikileaks ins eigene Fleisch geschnitten […]

  3. und der wahre Hintergrund? Man kündigt doch nicht einfache eine solche Domain!

  4. @topformplus
    Der „wahre Hintergrund“ ist scheinbar weniger verschwörerisch, als du vielleicht annimmst.

  5. […] Theodor Reppes Straucheln im zweiten Teil meiner Wikileaks-Trilogie […]


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