Verfasst von: Manuel | 16.09.2009

Festnahme auf der „Freiheit statt Angst“-Demo und weitere Videos

Inzwischen häufen sich die Berichte unangemessenen Polizeiverhaltens auf der „Freiheit statt Angst“-Demo am Samstag.
Besonders schockierend liest sich der Bericht eines Demobesuchers, der festgenommen und mehrere Stunden festgehalten wurde, weil bei einer anlasslosen Durchsuchung seines Rucksacks ein Multifunktionswerkzeug gefunden wurde, in dem auch ein Taschenmesser enthalten ist.
Den Organisatoren der Demo zufolge stellen solche Durchsuchungen einen Bruch der zuvor getroffenen Absprachen dar.

Von den Schikanen, die dem jungen Mann widerfahren sind, sollte sich jeder selbst ein Bild machen. Nur ein Auszug:

Kurz Zeit später wurde ich wieder aus der Zelle geholt und sollte mich auf dem Flur vor eine Wand stellen, wo ein Beamter mit einer Digitalkamera Fotos von mir machte. Anschließend wurde ich wieder in die Zelle zurück geführt. Nach geschätzten weitern 10 Minuten wurde ich in einen weiteren Raum geführt, wo zwei Beamten auf mich warteten. Mein Rucksack wurde nun noch mal vollständig entleert und der Inhalt protokolliert. Während dessen fragte mich einer der Protokoll führende Beamte  ob ich mit einer Blutprobe einverstanden sei; ich fragte, wozu. Mir wurde erklärt, dies sei eine StandardfFrage für ein Standardformular und es würde jeder gefragt. Darauf verweigerte ich die Entnahme eine Blutprobe formell, was in dem Formular vermerkt wurde.

Im Anschluss wurde ich aufgefordert mich bis auf die Unterhose auszuziehen (das Recht diese doch recht unangenehme Situation verweigern zu können kannte ich zu dem Zeitpunkt leider nicht) und meine Anziehsachen wurden erneut durchsucht. Nach kurzer Zeit erhielt ich sie zurück, durfte ich mich wieder anziehen, musste noch meinen Gürtel und meine Schnürsenkel abgeben und unterschrieb das Protokoll in dem alles was ich bei mir hatte aufgeführt war.

Mein Frage was mir denn nun vorgeworfen würde konnte der Beamte wieder nicht beantwortet: “das wisse er nicht, er sei nur dazu da meine Sachen aufzunehmen”. Ich fragte was den nun passieren würde und er sagte mir, dass ich vermutlich gleich befragt würde und ich dann auch Antwort auf meine Fragen erhalten würde. Ich schilderte den beiden anwesenden Beamten noch mal den Sachverhalt und sie erklärten mir, ich würde bestimmt schnell wieder entlassen, er führe schließlich auch meist sein Taschenmesser mit sich und ich hätte es ja freiwillig abgegeben.

Nach dem ich anschließend wieder in eine Zelle gesperrt worden war, begann das lange Warten. Von Zeit zu Zeit wurde die Tür kurz geöffnet und direkt wieder geschlossen – bei jedem Mal dachte ich, es würde nun endlich weiter gehen und ich würde endlich erfahren, was mir eigentlich vorgeworfen wurde, dem war aber leider nicht so. Als wieder einmal die Tür geöffnet wurde, fragte ich schnell nach der Uhrzeit – es war mittlerweile 16.15 Uhr. Ich saß also mittlerweile seit fast 4 Stunden fest und wusste immer noch nicht, warum. Es muss etwa 17.00 Uhr gewesen sein, als ich endlich aufgefordert wurde, mitzukommen. Meine Hoffnung nun endlich mit einem Ermittler sprechen zu können um den ganzen Sachverhalt aufzuklären, wurde aber leider wieder enttäuscht. Stattdessen wurde in einen Raum, ein Stockwerk tiefer, zum “LKA Berlin Erkennungsdienst” geführt.

Auch den drei Beamten dort schilderte ich unter Tränen nochmals den ganzen Sachverhalt und fragte, ob ich der Erkennungsdienstlichen Erfassung denn wenigstens formell widersprechen könne, da es sich doch ganz klar um ein Missverständnis handele – dies wurde verneint und ein Schild an der Wand wies mich mittels eines Paragraphen darauf hin, dass die Erkennungsdienstlichen Maßnahmen notfalls auch mit Gewalt durchgeführt werden könnten.

Was geht in einer Frau vor, wenn sie solche Bilder von ihrem Sohn sieht?

Außerdem sind auf Adrians Blog noch einige weitere brisante Videos von der Demo verlinkt. Auch die unverhältnismäßig brutale Festnahme, die inzwischen in mehreren großen Nachrichtenmedien zu sehen war, wird dort weiter ausgeleuchtet.

Ich höre an dieser Stelle auf, Weiteres zum Thema zu dokumentieren, bitte aber darum, anderweitig auf dem Laufenden zu bleiben. Hier wurde eine längst überfällige Debatte angestoßen und sie muss dringend geführt werden, bevor sie wieder im Sande verläuft.
Verhalten, die es von der Polzei am Samstag zu sehen war, ist eine Schande für jeden Rechtsstaat und eine Riesengefahr für die Demokratie. Ich kann daher Jens Seipenbusch und seiner Piratenpartei nur beipflichten zu der Forderung, dass Polizisten endlich klar erkennbare Identifizierungsnummern tragen müssen: Nur so kann dauerhaft gewährleistet sein, dass untaugliche Großstadtsheriffs rückhaltlos für ihre Untaten im Namen des Volkes zur Verantwortung gezogen werden.

Update: Hier und da gibt es Äußerungen (insbesondere von Polizisten) zu lesen, die das brutale Vorgehen der Polizei „selbstverständlich“ nennen und von „Provokationen“ der Demonstranten reden, die als „Störer“ bezeichnet werden.
Ein erfahrener Kampfkunstlehrer hat das Videomaterial jetzt analysiert und kommentiert, und seine Erklärungen zeigen, dass das gehaltloser Unsinn ist:

Wenn ich die Statur und die Bewegungsmuster der Polizisten mit denen ihrer Opfer vergleiche, glaube ich nicht, dass auch nur ein einziger Schlag erforderlich war, wenn es nur darum gegangen wäre, Kontrolle über Situation und Opfer zu erlangen. Einfache körperliche Gewalt wäre tatsächlich ausreichend gewesen, um diese Kontrolle bzw. polizeilichen Zwang auszuüben, wurde aber um ein Vielfaches der Erforderlichkeit überschritten.

Das wiederum wirft Fragen zur Geisteshaltung der rechtfertigenden Polizisten auf.
Selbstverständlich braucht niemand eine Gesinnungspolizei. Es ist völlig egal, welche politischen Ansichten und Überzeugungen ein Polizist persönlich hat. Nur: Wenn das Bild vom eigenen Beruf und seiner Rolle in der Gesellschaft und die Einschätzung solcher Vorfälle dermaßen bizarr der Realität zuwiderlaufen, kann das eine zielführende Ausübung des Berufes nur behindern.

(Zweiter Link via f!xmbr.)


Antworten

  1. Recht so cosmo! Zeig mit dem nackten Finger auf sie. Diese Typen kotzen mich an. Ich wurde auch schon so behandelt, allerdings mitten in einem ICE und es ging weiter als bis zur Unterhose. Denen geht echt einer ab dabei, ihre Macht auszuspielen. Man konnte den feuchten Fleck beinahe sehen. Wi-der-wärtig.

  2. Mir stellt sich die Frage: Gehört politische Bildung nicht zur Ausbildung von Polizisten? Die ja immerhin Ordnungshüter sein sollen?
    Und wenn ja, wie niedrig sind dort die Messlatten, wenn scheinbar jede Menge Pfosten dort durchkommen, die unter „Recht und Ordnung“ etwas verstehen, was man durch das Verprügeln, Einsperren und Demütigen von aktiven Bürgern sicherstellen kann?

  3. Ich fürchte, dass Machtgier und politische Bildung nur geringfügig miteinander zu tun haben. Ersteres gibt es viel in der Deutschen Polizei, über letzteres kann ich aus eigener Erfahrung nichts sagen.

  4. […] Weitere Festnahme auf der FSA-Demo (mehr Ekelhaftigkeiten unserer Freunde und […]

  5. […] den Widerhaken bin ich an diese Zusammenfassung der Polizeiprügelereignisse nach der "Freiheit Statt Angst"-Demo 2009 gekommen. Darin wird sehr deutlich wie weit unser […]

  6. […] das sind doch großartige Nachrichten angesichts der jüngsten Vergangenheit. Unter diesen Umständen kann man sich den Forderungen von Bosbach, Pfeiffer und Kollegen nach mehr […]

  7. […] Demonstrationen werden grundsätzlich belächelt oder, wenn sie zu groß dafür werden, mit roher Gewalt durch Staatsorgane beantwortet, um dem Bürger seinen Platz im System zu […]


Das muss kommentiert werden!

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