Verfasst von: Manuel | 14.09.2009

Mahnwache gegen unverhältnismäßige Polizeigewalt am Platz der Luftbrücke

Ich hatte ja in meinem Artikel zu den Ausschreitungen auf der „Freiheit statt Angst“-Demo am Samstag schon darauf hingewiesen:
Die Jungen Piraten, Jugendorganisation der Piratenpartei Deutschland, haben am Montag, den 14.09. eine Mahnwache organisiert, aus Anlass der unangemessenen Brutalität seitens der Polizei.

Vor dem Polizeipräsidium am Platz der Luftbrücke hielten engagierte Bürger eine Mahnwache gegen unverhältnismäßige Polizeigewalt.

In der Pressemitteilung hieß es dazu unter Anderem:

Im Zuge der Abschlusskundgebung der Demo kam es von Seiten der Polizei zu unverhältnismäßiger Gewalt gegenüber friedlichen Demonstranten. Die Jungen Piraten verurteilen diesen dokumentierten, unverhältnismäßigen Gewalteinsatz und fordern vorbehaltlose Aufklärung der Vorgänge durch die zuständigen Behörden.

Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen rufen die Jungen Piraten am Montag den 14.09.09 um 18 Uhr zu einer Mahnwache gegen unverhältnismäßige Polizeigewalt auf. Die Mahnwache soll am Sitz des Polizeipräsidenten am Platz der Luftbrücke (U6) stattfinden. Dort wollen wir zeigen, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung – auch auf Demonstrationen – von den Jungen Piraten als essenziell für unsere Demokratie angesehen wird und nicht durch die Angst der Bürger vor staatlicher Gewalt verhindert werden darf.

Das ließ sich mit meinem Feierabend gut vereinbaren und ist ganz im Sinne meiner Ansichten, deshalb war ich selbst vor Ort.

Die Piratenpartei fordert "Nummernschilder statt Polizeiwillkür" und stellt damit eine weitere Forderung nach mehr staatlicher Transparenz.

Neben der Piratenpartei waren auch noch der FoeBuD, die AntiFa und der Antikapitalistische Block, sowie sicher noch weitere vor Ort. Die Teilnehmerzahl dürfte so bei knapp 80 gelegen haben.
Wegen technischer Probleme war bis 19:00 eigentlich nur überwachungsgegnerfreundliche Musik aus dem Lautsprecherwagen zu hören, dann verlasen die Piraten kurz ihre Forderungen (den Schläger sofort entlassen, rüchaltlose Aufklärung der Vorfälle, Kennzeichnung aller Polizisten etc. pp.) und gaben anschließend das Mikrophon an „Jost vom Antikapitalistischen Block“ ab.

Jost vom Antikapitalistischen Block leitete von Polizeigewalt sehr zügig auf „die Überwindung der gesellschaftlichen Verhältnisse“ über, schwärmte vom Umsturz und betonte ausgiebig, wie die friedlichen Aktionen seiner Organisation immer wieder auf polizeiliche Schikanen stießen.
Zwischen stark staatskritischen Äußerungen unterstrich er immer wieder, dass die Antikapitalisten sehr friedlich vorgingen, aber mit starken Polizeiaufgeboten konfrontiert werden.
Die Vorfälle vom Samstag verband er mit schweren Anschuldigungen: Beamte fingen an, zu verprügeln, dies sei zudem kein Einzelfall, „sondern hat System“.
„Der Staat“, pointierte er gegen Ende seiner Rede, „hat keine Skrupel auf die eigenen Bürger einzuschlagen!“ Schließlich forderte er: „Polizeigewalt stoppen, Kapitalismus abschaffen!“

Ich bin skeptisch, was so harte Anfeindungen gegen die Polizei auf einer Mahnwache sollen, zumal der Moderator der Piraten ganz zu Beginn doch betont hatte, dass es nicht gegen „die Polizei“, sondern gegen einzelne Polizisten, die eben über die Stränge schlagen, gehen soll.
Vollkommen verständnislos hinterlässt mich aber die umfassende Staats- und Systemkritik. Sicher, der Mann ist vom Antikapitalistischen Block und das ist gewissermaßen sein Beruf. Und sicher, dass es zu gewalttätigen Übergriffen seitens der Exekutive gegenüber Bürgern kommt, wäre unter anderen Gesellschaftsbedingungen seltener. Aber die Abschaffung des Kapitalismus gleich im selben Atemzug mit dem Protest gegen Polizeigewalt? Das vermischt doch, was nicht zusammengehört und schadet wieder nur den eigentlich hehren Zielen der Mahnwache.
Oder, um es auf den Punkt zu bringen: Am Samstag haben mehrere Leute von Polizisten auf die Fresse gekriegt. Wenn sie ihre Leberwurst im Supermarkt gratis bekommen würden, könnte das nichts daran ändern, dass sie jetzt einen verdammt guten Zahnarzt nötig haben.

Auch die Antifaschisten waren vor Ort.

Später kam noch Padeluun dazu, der sogleich ans Mikrophon ging, um ganz im Stil seiner großartigen Moderation vom Samstag eine sehr angenehme Rede zu halten. Er beruhigte, dass die Opfer inzwischen in ärztlicher Betreuung sind und es ihnen den Umständen entsprechend gut geht. Zudem sprach er nochmal davon, wie die Polizei über die Absprachen hinaus unverhältnismäßg Demonstranten (und selbst Organisatoren) der „Freiheit statt Angst“-Demo durchsucht und darüberhinaus gefilmt haben, zudem nannte er die gewalttätigen Ausschreitungen ein „Ritual“, das wohl in Berlin so beheimatet sei.
Mit den Gesprächspartnern der Polizei sei man aber in gutem Kontakt, und schon bevor das inzwischen weitbekannte Video an die Oberfläche kam, haben diese wohl zugesichert, die Vorfälle zu untersuchen.
Schlieißlich unterstrich er die Forderungen der Piratenpartei und des CCC nach klar lesbaren Dienstnummern auf Polizeiuniformen – denn so müsse niemand mehr einen Polizisten nach seiner Dienstnummer fragen und dafür die Faust ins Gesicht bekommen.

Dann gab es, wie das bei Mahnwachen nunmal so ist, Kerzenlicht in Papiertüten und eine Schweigeminute.
Am Rande der Veranstaltung konnte ich mich mit Jens Seipenbusch ganz gut unterhalten, der ein paar interessante Dinge zur Demo am Samstag sagen konnte, aber dazu später mehr.

Auch diese Kundgebung wurde gefilmt, auch hier waren (wenig verwunderlich) reichlich Polizisten zugegen.

Wie schon bei dem Video, das auf einer Demo, die sich unter anderem gegen Videoüberwachung positioniert, unverhältnismäßige Gewalt der Polizei dokumentiert und damit erst eine Aufklärung forciert, war auch die Mahnwache zum Thema nicht frei von Ironie: Direkt vor dem Polizeipräsidium gelegen, wurde die Demo naturgemäß von weit mehr (durchaus ausgerüsteten) Polizisten beobachtet, als etwa zum Einschreiten bei einem weiteren Zwischenfall nötig gewesen wären.

Bei der Gegenwart von Reportern mit Kameras und Mikrophonen gehe ich auch von weiterer Berichterstattung in den Medien aus, insgesamt kann also von einer sehr gelungenen Veranstaltung gesprochen werden.
Und das ist richtig so, denn gegen aktive Gewalttätigkeiten seitens von Staatsorganen kann man nicht genug Zeichen setzen und eine klare Identifizierbarkeit jedes einzelnen Polizisten ist längst überfällig.

Update 1: Anja S. aus B. hat ebenfalls einen Bericht verfasst, bei Urs1798 gibt es außerdem neben einem weiteren Bericht auch viele sehr gute Bilder der Veranstaltung (ja, auch von mir).

Update 2: In Nics Bloghaus gibts noch mehr Fotos, außerdem haben die Berliner Piraten jetzt ein Video von Padeluuns ganz guter Rede online gestellt.


Antworten

  1. […] war ich inzwischen auf der in Update 2 erwähnten Mahnwache aus Anlass des Vorfalls. Ende der […]

  2. […] Seipenbusch erklärte mir am Rande der Mahnwache zwei Tage später, dass das in seinen Augen keineswegs unpolitisch war: Passanten habe man ja mit Flyern informiert […]

  3. […] gestrigen Montag hatte ich auf der Mahnwache gegen unverhältnismäßige Polizeigewalt am Platz der Luftbrücke in Berlin Gelegenheit, mit Jens Seipenbusch zu sprechen. Der Vorsitzende der Piratenpartei […]

  4. […] mit dem Vorsitzenden der deutschen Piratenpartei Jens Seipenbusch herausgestellt, den ich auf der Mahnwache nach der Demo vollkommen zufällig getroffen hatte: Zwar hat das den Besucherrekord an einem einzelnen Tag, den […]


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